„Ulrich Eisenfeld ist allmählich zu einem der gewichtigen Intimisten herangewachsen. Intimismus meint die ideologieferne, auf neue Vergewisserung an der Wahrheit der fünf Sinne konzentrierte romantisch gegenständliche Kunst, die im DDR-östlichen Deutschland gegen die Doktrinen des „sozialistischen Realismus“ seit den sechziger Jahren entwickelt wurde.

Er kam aus dem Zwickauer Steinkohlenschacht ans Licht, erst mit einundzwanzig Jahren zum Studium, mitten hinein in die brutalen Pressionen der Ulbricht-Ära. Aber er ließ sich nicht auf das ideologiekritische Feld äußerlicher Opposition zur inneren Erleichterung locken.

Gestimmtheiten wurden sein Ausdrucksmittel. Anfangs hüllen opake Farbreliefs kleinteilige Landschaft unter hochgelegten Horizonten ein. Wenig Himmel bleibt darüber, der Atem stockt. Mit seiner Verdrängung aus Dresden öffnen sich ihm die Himmel in West-Berlin, im westlichen Harz, im schwedischen Dalarna zu weiten Blicken. Nun lagern sich die Horizonte selbst unter den von Eiszeitgletschern gerundeten alten Gebirgen. Die Horizontale wird zu Eisenfelds hauptsächlichem Kompositionselement, betont durch sparsame Rundformen und nachdrücklichen Diagonalen.

Statt der Ölmalerei drängt das puderleichte atmende Pastell vor, vielerlei Kreiden ineinander verrieben zu kostbarem Schimmer. Überstrahlte Dunkelheiten erzeugen sonore Klänge. Das kältere Licht des Nordens weht uns kühlend an. Farbe erringt gelassene Vergeisterung. Der Gang der Tageswechsel und der Jahreszeiten arbeitet sichtlich an den Landschaften und erläßt ihr geschichtliches Schicksal erkennen. Das ist nicht ohne Tragik der Vergänglichkeit, vom Licht enthüllte Düsterkeit. Am Naturerleben relativiert und heilt Eisenfeld seine erlittenen Verletzungen aus Dresdner Tagen. Seit der deutschen Einheit zieht es ihn wieder zum Wilisch, in die Gegend von Kreischa, zur Begleichung einer nicht eingelösten Schuld, auch der Landschaft am Osterzgebirgsrand besser gerecht zu werden als aus der Verdrossenheit damals.

Unbekümmert um Tagesmoden wählte er seine Vorbilder zwischen Leistikow und Munch. Den im Abendlicht aufglühenden Kiefern an märkischen Seen wie den kühlblauen Himmeln über Lappland oder Mittelschweden lauscht er eine Expressivität der Farben ab, die Rapsfeldern oder herbstlich geröteten Rentierflechten ohne Übertreibung abzugewinnen sind. Die tropisch überhitzten Komplementärfarben, die Brücke-Maler in Dangast oder Nidden über die Natur verströmten, nimmt Eisenfeld in die Zucht der geistigen Zwiesprache mit dem Erlebnis. Naheliegend, daß er sich in figürlichen Kompositionen lieber auf „Blaue Reiter“ beruft.

Aber das Erbe der klassischen Moderne bleibt wohlgehütet und wird nicht durch eitle „Selbstverwirklichung“ als Möchtegerntrendsetter in Frage gestellt. Darin enthüllt sich eine Hoffnung Franz Marcs. Neue Traditionen bilden sich. Und kein allzu naher Jugendstil verstört Eisenfeld – wie einst die Freunde um Marc – zu vordergründiger Dekorativität. Unterschwellig brodelt eher die tragisch ernste Lebenssicht Rouaults unter Eisenfelds letzten oberen Farbenstäuben. Nur fehlt im der Zug zum Einklagen einer nicht vollendeten Schöpfung.

Eisenfelds Kunst lebt aus dem Einklang mit dem Stirb und Werde. Seine hohen Himmel mit den diagonal darüberziehenden oder sturmgejagten Wolken raunen heimlich in Zwiesprache mit den Himmeln Caspar David Friedrichs und Blechens und Turners. Vor seinen Bildern wagen auch wir den Dialog mit der Natur und dem Menschen neben uns.“

Prof. Dr. Diether Schmidt †
Katalog zur Ausstellung im Leonhardi-Museum Dresden 1994